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1980
- 2005 |
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2002 - Die Skandalsingle und der
Gegenschlag der Onkelz
Das Jahr 2002 beginnt gut für die Böhsen Onkelz. Die Texte für
das neue Album schreibt Stephan Weidner in Irland, die ersten
Einspielungen der neuen Songs entstehen auf Ibiza. In seiner
typischen Eigenart greift Stephan Weidner das Thema "MTV -
Masters" noch einmal auf und schreibt den Song "Keine Amnestie
für MTV", der als Singleauskopplung am 18. Februar 2002 auf
rule23 veröffentlicht wird. Nicht nur wird der Text des Liedes
bis zum Veröffentlichungstag geheim gehalten, sondern man
überlegt sich für diesen Tag auch eine begleitende Aktion. Ohne
die großen TV-Medien oder die Tagespresse davon zu informieren,
fährt Stephan Weidner in Begleitung des Bandmanagements und
ca.70-80 Onkelzfans in die Fußgängerzone vor dem Münchener
Rathaus vor und lädt einen 40t Sandkipper mit 150 schrottreifen
Fernsehern ab. Eine Aktion, die auf die "Verblödung" durch das
deutsche Fernsehen aufmerksam machen soll. Der Musiksender MTV
berichtet am gleichen Tag über diese Aktion und spielt sie als
lächerlichen und albernen Kinderstreich herunter.
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Fotosession, Festhalle Frankfurt |
Eine Woche später steigt die Single auf Platz
2 in die Top 100 Single Media Control Charts ein. Große Ladenketten wie
WOM beginnen nun die Böhsen Onkelz in ihr Programm aufzunehmen und
handeln somit entgegen ihren noch vor kurzer Zeit verkündeten "Onkelz?
-Bei-uns-niemals"-Strategien. Dass die Onkelz nun auch für große
Handelsketten ein nicht mehr zu ignorierender Wirtschaftsfaktor geworden
sind, lässt sich nicht mehr leugnen. Der "Stachel" der angeblich
niemanden mehr juckt, scheint den Musiksender MTV eben doch zu jucken.
Dort versucht man witzig zu sein und lässt mehrmals pro Tag ein
zusammengeschnittenes Backstreetboys- und N-Sync-video zum MTV-Song der
Onkelz laufen, was zur Folge hat, dass der Song, der inzwischen auf die
Position 8 gerutscht ist, eine Woche später wieder auf die 4 steigt.
Um zu demonstrieren, dass sie unberechenbar auch für ihre Fans
bleiben wollen und nie die Lust am experimentieren verlieren,
veröffentlichen die Böhsen Onkelz auf ihrer Single auch zwei
Coverversionen. "Coz I luv you" von den englischen Glamrockern "Slade"
aus den siebziger Jahren, verdeutlicht, daß die Onkelz auch vor einem
englischen Song nicht zurückschrecken. Um noch einen draufzusetzen,
wagen sie sich ebenfalls an eine Interpretation des Skandalsongs der
sechziger Jahre von Serge Gainsbourgh - "Je t `aime, moi non plus".
Wider Erwarten regen sich die Onkelzfans darüber aber keineswegs auf,
sondern nehmen die beiden Songs so auf, wie man sie auch gedacht hatte,
als einen großen Spaß.
Das Album "Dopamin"...
...erscheint am 15.04.2002 auf rule23 und steigt eine Woche später
von null auf Platz E.I.N.S. in die Media Control Top 100 Albumcharts
ein. Ausgebrütet auf Ibiza, geschrieben in Irland und gemixt in
Frankfurt und in den legendären Londoner Abbey Road Studios, legen die
Böhsen Onkelz mit ihrem 15ten Studioalbum ein ungewohnt positives und
sonniges Werk vor. Außer Titelstories in den großen Rock Magazinen
"Metal Hammer" und "Rock Hard"arbeiten die Böhsen Onkelz nicht mit der
Presse zusammen. Man geht sogar noch einen Schritt weiter und verweigert
den Journalisten und Fotografen der Tagespresse die Akkreditierungen zu
den Konzerten der anstehenden Tour. Ab dem 19.Mai gehen die Böhsen
Onkelz mit "Dopamin" auf eine ausgedehnte sechswöchige Deutschland
Tournee. Die 28 Konzerte sind über 90% ausgelastet und erreichen eine
Zuschauerrekordzahl von mehr als 200.000 Fans. Über diese Tour berichtet
Edmund Hartsch in einer täglichen Online-Berichterstattung auf der
Homepage der Onkelz.
Metal Hammer Mai
Also hast Du die Schnauze voll, Dich immer wieder erklären zu müssen?
Ja, es ist vor allen Dingen frustrierend, in der Öffentlichkeit als
Fascho hingestellt zu werden. Ich fühle mich nicht als Faschist, fühlte
mich auch nie als ein solcher. Aber, und den Schuh muss ich mir
anziehen, ich habe Dinge gesagt und getan, die darauf hindeuten. Daran
gibt es nichts zu beschönigen. Aber muss ich mich als 38-jähriger denn
immer noch für etwas rechtfertigen, das ich als 16-jähriger tat? Dazu
ist mir meine Zeit zu schade. Die verbringe ich lieber mit meiner
Familie oder mache Musik. Glücklicherweise sind nicht alle so verbohrt.
Wir bekommen auch positives Feedback, so dass ich auf den Rest getrost
verzichten kann.
Welche Erfahrungen hättest Du am liebsten nie gemacht?
Schwierige Frage. Ich hätte darauf verzichten können, als Nazi
hingestellt zu werden.
15.11.2002 Onkelzdiskussion in der Batschkapp/ Frankfurt...
Beobachtet von Till Erdenberger:
"Die Anti-Nazi-Koordination, der StadtschülerInnen-Rat und das
kath. Stadtjugendamt hatten geladen und alle kamen, die sich auch sonst
nur widerstrebend eine Gelegenheit entgehen lassen, ihre Integrität
offen zur Schau zu stellen. Neben vielen anderen eine handvoll leicht
ergrauter Startbahn-West-Veteranen, der übermotivierte
AntiFa-Jung-Funktionär und zwei Pädagogen, die sich entweder vor ihren
Schützlingen profilieren wollten, oder schlicht und einfach den falschen
Job haben – wahrscheinlich beides. Und – natürlich - die Onkelzfans
waren da. Der besondere Clou, mit dem die Veranstalter aufwarteten, war
der, dass zwar über, aber leider auch ohne die Onkelz diskutiert wurde.
So wurde kurzerhand Klaus Farin, Autor vom „Buch der Erinnerungen“ und
Leiter des Berliner „Archiv für Jugendkulturen“, der von seiner
Profession her eigentlich eine neutrale Position repräsentieren würde,
als Onkelz-Vertreter auf dem Podium platziert, dazu einen Moderator, der
sich keine große Mühe gibt, seine Anti-Onkelz-Attitüde zu verbergen.
Sehr gute Vorraussetzungen für eine faire Diskussion. Es war also
angerichtet. Same shit – different day. Auf ein Neues, Walter!
Wäre es nicht so traurig, dass Don Walchotte auf seinem Kreuzzug
gegen die Onkelz- Windmühlen ganz offensichtlich auf einige Sancho
Pansas trifft, hätte seine surrealistisch anmutende, so gänzlich „unfunky“
Performance ein Lehrbeispiel für großes Kabarett abgegeben. Grandiose
Selbstkarikatur, umwerfender Zynismus, theatralische Mimik und Gestik,
dazu ein spaßiger Sarkasmus. Aber – und hier setzt die ganze Tragik des
Abends ein – Klaus Walter ist kein lustiger Handlungsreisender in Sachen
Aufklärung über die bösen Nazis. Er ist kein Fachmann für
Jugendkulturen, er ist kein IG-Metall-Funktionär, der sich gegen Rechts
engagiert, nein, Klaus Walter ist ein journalistisches Perpetuum mobile
gegen die Onkelz. In seinem Paralleluniversum der perfiden
Kontext-Symbolik, nicht vorgesehener individueller
Persönlichkeits-Entwicklung, Selbstgerechtigkeit und Geißelung des
„Linken Establishment“, sitzt er und sucht nach immer neuen
Möglichkeiten, vor den Onkelz zu warnen, nicht auf sie hereinzufallen.
Zum mittlerweile wohl achtundneunzigsten Mal empört er sich über die
Verschlagenheit der Onkelz – nein, vordergründig sind sie keine Nazis
mehr, da muss man schon ein wenig tiefer graben. Ganz besonders angetan
hat es ihm die – im entsprechenden Kontext – offensichtliche
schwarz-rot-goldene Farbgestaltung des „Heilige Lieder“ - Covers. Wie er
angesichts eines gelb-blau-weiß-rot-schwarzen Bildes auf die
faschistische Farb-Perfidität der Band schließt, ist sein Geheimnis –
was zählt ist die Schlussfolgerung, die er daraus zieht und die sagt: An
der eigentlichen Gesinnung der Onkelz hat sich gar nichts geändert. Sehr
schön! Ließe sich aus den drei Adidas-Streifen – im entsprechenden
Kontext selbstverständlich – nicht ein prima Hakenkreuz formen?
Man kam sich schon vor wie ein „unverbildeter Prollhool“, der
sich in den letzten Jahren übel an der Nase herumführen ließ, als man
Walters Ausführungen über die unterschwellige Botschaft lauschte, die
doch in fast allen Songs – mal deutlicher, mal weniger – lauert. Dezent
zusammen gekürzt lautet die Quintessenz des 22 Jahre währenden
Onkelz-Schaffens – wie konnte es bisher nur unbeachtet bleiben?: Die
Böhsen Onkelz sind die – Achtung, anschnallen- männerbündelnde,
frauenfeindliche Verkörperung des Soldatischen inkl. einer latenten
Vergewaltigungsphantasie. Richtig, jetzt wo er’s sagt. Und es fällt
einem doch wie Schuppen von den Augen, angesichts solch offenkundig
revanchistischer Zeilen wie „Willkommen im Reich der Onkelz“, die den
Besucher auf der www.onkelz.de empfängt. Das korrespondiert doch
tatsächlich deutlich mit den Hitlerschen Allmachtsansprüchen. Aber der
Kontext, der Kontext...
Echte Sportpalast-Stimmung kam auf, als sich zwei „Erleuchtete“ mit sich
zum Ende ihrer Rede überschlagender Stimme über die Onkelz
echauffierten, die Wölfe im Schafspelz, die wie alle Nazis vor ihnen
schon immer unterschätzt wurden, bis es dann zu spät war. Schade, dass
das Mikro nicht noch anfing, mit atmosphärischem Rauschen aufzuwarten...
Gut, dass es solche zuverlässigen Warner gibt.
Spaß beiseite, zurück zum Ernst der Dinge! Wie es um Walters
Denkstruktur bestellt ist, wird besonders anhand seiner Affinität für
die „Heilige Lieder“ deutlich, die er nicht müde wird, zu geißeln. Wie
gesagt: Schwarz-rot-gold.... (Hat jemand bei einem Nazi-Aufmarsch schon
mal schwarz-rot-goldene Fahnen gesehen?) Warum er die „Wir ham´noch
lange nicht genug“ nicht dabei hatte, wo man das Argument durchaus hätte
gelten lassen können, bleibt sein Geheimnis. Zu offensichtlich geht ja
auch nicht, sonst griffe ja wieder der „Biedermann und die Brandstifter“
– Effekt. Doppelte Verschleierung, unglaublich! Vielleicht ist es auch
die einzige Platte, die er tatsächlich kennt... Gänzlich obskur wird es,
als er versucht, den „Hippie-Einfluss“ auf der CD zu erklären.
„Hobby-Philosoph“ Carlos Castaneda, US-Anthropologe mit
süd-amerikanischen Wurzeln, wird im Booklet als Inspirationsquelle
genannt.... Wie das? Totale Konfusion... Könnte man das auch – im
entsprechenden Kontext selbstverständlich – als cosmopolitischen, also
anti-nationalistischen Einfluss sehen? Nein, so einfach darf man es den
Wölfen im Schafspelz auch nicht machen. Dass Castaneda, laut Walter der
Michael Ende der Hippies, also der ehemaligen „Klassenfeinde“,
vereinnahmt werde, deute doch noch zusätzlich auf die eigenartige
Geisteshaltung Weidners hin. Soso... Auf alle
Argumentations-Kuriositäten und inhaltlichen Fehlschläge des
Protagonisten einzugehen, würde bei weitem den gebotenen Rahmen
sprengen. Schade drum, dass sowohl Klaus Farin, als auch der
dunkelhäutige Rapper Ebony Prince vom Anti-Rassismus-Projekt „Brothers
Keepers“ mit ihren wohlgemerkt aus neutraler Warte gesprochenen
pro-Onkelz-Statements auf einigermaßen taube Ohren stießen.
Sei es drum, der Rest des Abends ist schnell erzählt: Eine halbe Stunde
Walter, eine halbe Stunde Farin und danach fruchtlose „Diskussion“. Wie
immer bei diesem Thema prallten zwei Welten aufeinander, der eine kann
mit dem andern so überhaupt nicht und auf die Onkelz will sich sowieso
keiner einen Schritt zubewegen. Nichts wirklich Neues..." |