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1980
- 2005 |
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1997 - Kein Airplay, keine
Videoclips, schlechte Presse und trotzdem in den Charts
Seit zehn Jahren ist die Band nun in der rechten Szene als
"Verräter", "Motherfucker" und "linke Zecken" verrufen, während
die linke Szene sie als "Nazischweine" bezeichnet. Seit zehn
Jahren, weigert sich die Presse, die Bewusstwerdung der Böhsen
Onkelz anzuerkennen. Eine Clownerie, die in der Musikgeschichte
der Bundesrepublik ohne Beispiel ist. Seit siebzehn Jahren
werden die Alben der Böhsen Onkelz nicht im Radio gespielt oder
im Fernsehen durch Videoclips beworben und seit siebzehn Jahren
wächst ihre Fangemeinschaft beständig an. Das "Live in Dortmund"
- Video führt wochenlang die Videocharts an und das dazugehörige
Doppel- Live Album verkauft über 300.000 Einheiten und steigt
bis auf Platz 6 der LongPlay Top 100. Nie zuvor hat es eine Band
gegeben, die die deutsche Musikszene und den Handel in einer
solchen Form durcheinander gebracht, die so viele
unterschiedliche Meinungen provoziert hat. Böhse Onkelz Konzerte
müssen kaum beworben werden und sind Monate im Voraus
ausverkauft. Tonträger verkaufen sich in rasender
Geschwindigkeit und stoßen regelmäßig in die Top Ten vor. Eine
goldene Schallplatte für 250.000 verkaufte Einheiten ist längst
nichts Besonderes mehr. Dennoch empfinden die Böhsen Onkelz es
als enervierend und unverständlich, dass gerade die
Öffentlichkeit, die sich zunehmend gegen rechte Gewalt zu
organisieren versucht, nicht versteht, dass sie mit den Onkelz
ein unglaublich wirksames Tool in der Hand haben könnte, um auf
gefährdete Jugendliche einzuwirken. Gerade die
Auseinandersetzung mit fremden Inhalten sind die Grundlagen
demokratischer Prozesse, die in Deutschland den Jugendlichen
jedoch nicht vorgelebt, sondern blanko von ihnen eingefordert
werden. |
Fotosession, Frankfurt 1997
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v.l.n.r. Pe, Kevin, Stephan, Gonzo
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Die Onkelz veröffentlichen ihre Biographie
Um den Gerüchten und Spekulationen über die Böhsen Onkelz ein für
allemal den Boden zu entziehen, entscheidet sich die Band zur
Veröffentlichung ihrer Biographie. Edmund Hartsch, ein Freund der Band,
arbeitet in einer zwei-einhalbjährigen Schreibphase die siebzehn Jahre
Bandgeschichte auf und veröffentlicht beim B.O. Management das Buch
unter dem Titel "Danke für nichts" im Oktober 1997. Bis heute hat sich
das Buch über 60.000 mal verkauft und gilt unter den Fans und
interessierten Kritikern als das Standardwerk zum Thema. Auf 270
großformatigen Seiten und über 400 Abbildungen, wird der Weg der Band
bis in das kleinste Detail nachgezeichnet und beleuchtet. Schonungslos
wird hier die komplette Historie der Band aufgezeigt, Elternhaus, Jugend
und Subkultur in Frankfurt, Kevins Drogensucht und der nie- endende
Pressekrieg. Zu einer wirklichen Entspannung des Reizthemas "Böhse
Onkelz" konnte das Buch allerdings nicht beitragen, weil es von den
meisten Journalisten ungelesen blieb.
Provokateure bei Konzerten fliegen raus
"Heute findet das Konzert in einer ungeheizten Messehalle statt. Alle
frieren sich beim Aufbau und backstage den Arsch ab. Die Story des Tages
liefert Tourleiter Thomas Hess, der zwei Skins, die Ärger machen, nackt
aus der Halle jagt." "Bei den ONKELZ kommt die Security heute
ordentlich ins Schwitzen: Dauernd müssen Mädchen aus den ersten Reihen
gezogen und den Rot- Kreuzlern übergeben werden. Darüber hinaus darf die
Crew einige Skins (die mit den weißen Schnürsenkeln) raus schmeißen,
weil sie ihren rechten Arm nicht unter Kontrolle haben - ein Problem,
das bei den österreichischen Gigs im Gegensatz zu den deutschen immer
wieder auftaucht. Gitarrist Gonzo platzt der Kragen, als ein Idiot in
der ersten Reihe den Arm zum Hitlergruß hebt. Er springt in den
Absperrgraben und schlägt dem Kerl kurzerhand seine Gitarre ins Gesicht.
Hart, aber gerecht." aus "Rock Hard", 1/97,
Tourtagebuch der 96er Tour
Frage: "Du meintest, dass das Publikum im Osten noch nicht soweit
ist. Diese Tour habt ihr nun doch in Schwerin gespielt. Ich war da und
muss sagen, es war wirklich ziemlich scheiße. Werdet ihr auf der
nächsten Tour die Neufünfländer wieder auslassen?"
Stephan: "Das ist schwer zu sagen. Wir haben uns auch selbst geärgert,
dass wir uns von denen haben provozieren lassen und ich glaube das ist
genau das, was die Leute erreichen wollen. Aber auch jedes solcher
Konzerte zeigt doch auch mal wieder, wie hart wir bei solchen Leuten
durchgreifen und schreckt vielleicht das nächste Mal den einen oder
anderen ab." aus "Bodystyler", Jan./Febr.
1997
Stephan: "Die Reps sind leider nicht die ersten, die die ONKELZ
für ihre Zwecke missbrauchen, und da kann man natürlich nicht tatenlos
zuschaun - zumal einige Leute ja auf die Idee kommen könnten, wir würden
solche Veranstaltungen befürworten oder uns mit solchen Parteien
solidarisieren. Wir haben keinen Bock, uns vor irgendeinen politischen
Karren spannen zu lassen - und schon gar nicht vor einen rechten."
aus "RockHard" 5/97, Statement zum Verbot
der Rep-Veranstaltung "ONKELZ&Rave"
Stephan: "Wir beobachten von der Bühne ganz genau, was sich im
Publikum abspielt. Randalierer oder Leute, die rechtsradikale Gesten
machten, werden von den Ordnern nach draußen befördert. Früher kam es
schon mal vor, dass ich selber Hand anlegen musste, wenn jemand blöd
wurde. Solche Leute haben bei uns nichts zu suchen, das sagen wir dem
Publikum immer wieder." aus "MetalHammer"
9/97
Frage: "Dubiose "Republikaner-Parties", wo ohne euer Wissen -
geschweige denn euer Einverständnis - mit dem Namen BÖHSE ONKELZ
geworben wird, sind hoffentlich Einzelfälle, oder?"
Stephan: "Ja, zum Glück. So was ärgert uns natürlich, aber man kann
wenig dagegen tun. Im rechten Untergrund wird unser Name immer noch
missbraucht, und wir hatten erst kürzlich wieder eine bandinterne
Diskussion, wo es um dieses Thema ging. Wir haben schon das Gefühl, da
noch mehr machen zu müssen, denn scheinbar lassen wir irgendwelchen
rechten Vollidioten immer noch genügend Freiräume. Die finden immer noch
Nischen, die es ihnen ermöglichen, Songtexte oder Aussagen von uns für
sich auszulegen. Du wirst diese Idioten einfach nicht komplett los."
Frage: "Diesen Eindruck hatte ich bei euren letzten beiden Konzerten in
Dortmund, es gab auch offensichtliche Versuche von rechter Seite, das
ganze zu unterwandern."
Stephan: "Wir wissen, dass es immer noch Leute gibt, die uns
politisieren und für sich auszunutzen versuchen. Ein ganz bestimmter
Wichser aus der rechten Szene macht uns zum Beispiel immer wieder Ärger
und brüstet sich sogar damit, demnächst eine Biographie über uns
schreiben zu wollen." (Anm. Hier ist Thorsten Lemmer gemeint)
Frage: "Inwieweit betrifft dich so was überhaupt? Hakst du das für dich
ab, weil du wenig dagegen tun kannst?"
Stephan: "Solche Sachen sind mir bestimmt nicht egal - aber ich kann
auch nicht die Verantwortung für alle Vollidioten dieser Welt übernehmen
- Terror in U-Bahnen oder ähnliches gibt es nach anderen Rockkonzerten
auch - und was willst du als Musiker dagegen unternehmen? Wir haben uns
ständig zu diesem Thema geäußert, wir haben es lang und breit jedem
erklärt, und mittlerweile müsste auch der letzte Depp kapiert haben,
dass die ONKELZ nicht mit irgendwelchen Faschos sympathisieren. Wir
machen das auf unseren Konzerten sehr deutlich und werfen Nazis raus,
wenn sie uns irgendwie auffallen."
Frage: "Ich weiß natürlich, dass `Bomberpilot` an sich ein politisch
wertfreier Song ist, und du hast ja auch eine entsprechende Ansage dazu
gemacht, aber `Deutschland im Herbst` hätte ein klareres Zeichen
gesetzt."
Stephan: "Dass irgendwelche Hohlköpfe `Bomberpilot` für sich
interpretieren oder falsch verstehen, dafür kann ich nichts."
Frage: "Ihr habt ja auf der letzten Tour erstmals auch im Osten
gespielt. Welche Erfahrungen habt ihr da gemacht?"
Stephan: "Ziemlich durchwachsene. Das örtliche Publikum beim ersten
Konzert war völlige ok, aber es waren Fascho-Glatzen aus Berlin da, die
irgendwie in die Halle gekommen sind und da natürlich extrem negativ
auffielen. Fast hätten wir das Konzert vorzeitig abbrechen müssen. Wir
haben die Faschos dann rausgeschmissen, wobei die Sache etwas eskaliert
ist. Aber das Publikum hat von sich aus "Nazis raus!" gerufen, als die
Chaoten aus der Halle befördert wurden."
aus "RockHard", 9/97
Frage: "Warum habt ihr später ins Skinhead-Lager gewechselt?"
Gonzo: "Der Punk wurde zum Establishment. Die Rebellion hatte an Kraft
verloren, also haben wir etwas Neues gesucht, mit dem wir provozieren
konnten."
Stephan: "Das war damals noch eine unpolitische, gemischte Szene."
Frage: "Ende 1985 begann der Ausstieg aus der Skin-Szene. War es schwer
da raus zukommen?"
Kevin: "Es war eine Phase, die Zeit brauchte. Im Kopf musste sich nichts
ändern, weil nichts abzulegen war."
Stephan: "Niemand von uns musste eine braune Uniform ausziehen, weil wir
sie nie anhatten. Es gab ein Schlüsselerlebnis: Wir besuchten den
Auftritt einer befreundeten Band in Berlin. Zwischen den Songs haben die
Zuschauer nichts anderes gerufen als "Ausländer raus!". Wenn es das
bedeutete, ein Skinhead zu sein, hatten wir keinen Bock mehr drauf."
aus "Metal Hammer", 12/97
Stephan: "Und da haben wir gesagt, wir können zu diesem Thema
(Rostock, Moelln) nicht mehr schweigen, sondern müssen jetzt an die
Öffentlichkeit gehen und müssen uns dazu äußern. Vor allen Dingen, damit
uns unsere Fans nicht falsch verstehen und nicht denken, wir würden
tatsächlich so etwas tolerieren bzw. könnten uns mit so etwas
identifizieren." aus "Break Out", zum B.O.
Interviewboykott von 1991, Dezember ´97 / Jan. ´98 |