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1988 - Onkelz? Nie gehört!
Im Jahr 1988 gibt es, wie auch schon im vorangegangenen Jahr keine Konzerte. Die Massenmedien interessieren sich noch immer nicht für die Geschichte der Böhsen Onkelz. Weder ihre Musik, noch ihr Ausstieg aus der Skinheadszene wird in der Tages- oder Stadtpresse erwähnt. Der Metal Hammer macht den ersten Schritt im Februar ?88. Nachdem er bereits im Vorjahr die "Onkelz wie wir" als "Nazi-Skin-Platte" verrissen hatte und nachdem sich Stephan und Gonzo daraufhin bei der Redaktion beschwert hatten, lädt der damalige Chefredakteur Edgar Klüsener die beiden Musiker zu einem Gespräch ein. Hier einige Auszüge:

Stephan: "Vor allem in den letzten Jahren ist ein Teil der Skins klar nach rechts abgedriftet. Tatsache ist, daß auch politische Organisationen versuchen, direkten Einfluß auf Skins zu gewinnen. Das geht soweit, daß sie zu unseren Konzerten kommen und Stände aufbauen oder Flugblätter verteilen wollen. Das lassen wir jedoch unter keinen Umständen zu. Die fliegen ganz einfach raus!" 

Böhse Onkelz 1988

v.l.n.r. Kevin, Stephan, Pe, Gonzo

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Stephan: "Einer von uns zum Beispiel hat den Wehrdienst verweigert und leistet zur Zeit seinen Zivildienst ab - aus welchen Gründen auch immer. Und da sagt man uns noch ernsthaft nach, wir würden Neo-Faschisten unterstützen oder seien gar selbst welche. Wir sind zwar Musiker, aber keine Idioten!"

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Stephan: "Was heute noch als Skinhead auftritt, hat meistens nichts mehr mit dem zu tun, was ursprünglich mal das Skin- Movement war. Übrig geblieben sind oft nur noch die, die tatsächlich rechtsradikal eingestellt sind. Die anderen, die von Anfang an dabei waren und die Bewegung mit aufgebaut haben, die haben sich inzwischen weitgehend abgesetzt und distanziert."

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Stephan: "Es war eine Bewegung der Kids von der Straße und eine Bewegung, die aus der Arbeiterklasse entstanden ist, aus der Klasse also, aus der auch wir stammen und in der wir verwurzelt sind. Eine andere Sache allerdings ist, dass für uns die Politik, so wie sie uns von den herrschenden gesellschaftlichen Gruppen und Parteien jeden Tag vorgespielt wird, absolut unglaubwürdig geworden ist. Politik ist ein pures Gerangel um Macht und Geld. Der Mensch und seine Bedürfnisse gelten nichts. Die einzige Partei, die zur Zeit noch einen Hauch von Glaubwürdigkeit besitzt, sind die Grünen. Sie könnten eine echte Alternative bieten, wenn sie zur Geschlossenheit zurückfinden würden."

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Stephan: "Als wir erstmals mitbekamen, wohin der Zug plötzlich fuhr, auf dem wir als Kultband der Skins irgendwo mit draufsaßen, haben wir damit begonnen, gegen unsere eigenen Leute zu schreiben, um irgendwie zu bremsen."

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Stephan: "Seitdem sind wir alle noch um einiges bewusster geworden. Wir glauben, dass unser einzige Chance sowohl musikalisch, wie auch menschlich-politisch im Crossover liegt. Es hat keinen Sinn, wenn Glatzen auf Punks, Metaller auf Hippies und jeder gegen jeden losgeht. Statt uns zu bekämpfen, sollten wir viel mehr zusammenhalten gegen die, die uns alle zusammen be- und unterdrücken, gegen korrupte Politiker, Umweltzerstörer, Kriegstreiber und gegen ein politisches System, für das der Einzelne Dreck ist."
aus "Metal Hammer" Hard Rock Zeitschrift "Böse ja, rechtsradikal nein" von Edgar Klüsener, München Februar 1988

Kurz daruf druckt das semi-professionelle Heavy Metal Magazin "Mega Mosch" im Sommer 1988 ein weiteres Interview mit Stephan Weidner ab. Es folgen Auszüge.

Stephan: "Es gab dann halt regelmäßig Ausschreitungen und uns wurde ein faschistisches Image angelastet, worauf die Veranstalter halt auch keinen Bock hatten, was ein Auftrittsverbot für uns in Frankfurt und Umgebung zur Folge hatte. So hat sich das dann halt entwickelt und immer mehr verschlimmert, durch Mund-zu-Mund-Propaganda."

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Stephan: "Ja, das ist richtig. Zu dieser Zeit (84) waren wir halt auch Skins gewesen und haben voll hinter der Bewegung gestanden. Wir wollten deshalb auch eine Platte für diese Bewegung machen. Inzwischen haben wir mit dieser Szene eigentlich nichts mehr am Hut."

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Stephan: "Rock-O-Rama haben uns finanziell ziemlich beschissen und nahmen außerdem immer mehr rechte Gruppen in ihr Repertoire auf, was uns auch nicht so gelegen hat."
aus "Mega Mosch" Heavy Metal Zeitschrift, Sommer 1988

 

Die legendäre "28"
Inzwischen hat auch Kevin der Skinheadszene abgeschworen. Er legt die Hosenträger und die Stiefel ab und läßt die Haare wachsen. Gleichzeitig steigt aber auch sein Drogenkonsum. Hat er früher noch gekifft, gesoffen und Leim geschnüffelt, wechselt er jetzt zu Kokain, LSD, Speed und Ecstasy. Seine Wohnung in der Weberstraße 28, kurz "die 28" genannt entwickelt sich immer mehr zur Drogenhöhle und am Anfang hängt auch der Rest der Band mit drin. Vor diesem Hintergrund bringt die Band bringt im Herbst '88 ihr fünftes Studioalbum "Kneipenterroristen" und damit ihr zweites Album bei Metal Enterprises heraus. Die Platte wird von der nun wachsenden Metal-Fan-Gemeinde begeistert gekauft. Es werden bis zum Oktober 15.000 Einheiten abgesetzt, was darauf schließen läßt, daß die Fangemeinde nicht mehr nur aus Glatzen besteht, denn deren Anzahl beläuft sich zu dieser Zeit laut Verfassungsschutzbericht auf rund 2500 Personen. Die Skinheadsezene hat mit den Onkelz ihre professionellste Band verloren und das Vakuum ist nicht zu füllen. Weit und breit ist keine Band in Sicht, die auch nur annähernd an den Kultstatus der Onkelz heran kommt. Wütend macht sich die Szene in den Artikeln ihrer Fanzines Luft und beginnt massiv damit, die Onkelz als "langhaarige Hippies", "Motherfucker" und "linke Zecken" zu beschimpfen.