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1984 - Rock O Rama und der nette Mann
Im Frühjahr 1984 wird Herbert Egoldt, Inhaber des Rock O Rama Labels und des gleichnamigen Mailorder Vertriebs aus Brühl auf die Onkelz aufmerksam. Herbert Egoldt hatte es in den vorangegangenen Jahren verstanden, den Import mit Independent Musik zu einem florierenden Geschäftszweig auszubauen. Sein Label galt während der letzten Jahre als kompetenteste Institution in Sachen Punk- und New Wave Import. 1984 jedoch beginnt er seinen Repertoirebereich auf die wachsende rechte Musikszene in England und Deutschland auszuweiten. Er bietet den Onkelz einen einseitigen Vertrag über drei Alben an, verspricht der Band eine Zahlung von 1,-- DM pro verkaufter Platte und sichert sich die Rechte an den Songs auf Lebzeiten. Die Böhsen Onkelz sind noch unerfahren im Musikgeschäft und gehen begeistert auf den Deal ein. 1984 ist für die Böhsen Onkelz das Schlüsseljahr, in dem sie ihre erste LP "Der nette Mann" in den Frankfurter MTV Studios mit Lazlo Viragh aufnehmen und sich den Titel "Kultband der Skinheadszene" sichern. "Der nette Mann" ist das erste Album einer deutschen Band, deren Mitglieder zu 100% Skinheads sind und sich auch dieser Szene verbunden fühlen.

Covershooting 1984

v.l.n.r. Kevin, Stephan, Gonzo, Pe

 Musikalisch lässt es bereits die spätere Professionalität und Härte erkennen und gerade Gonzo hebt sich mit seinem inzwischen weit fortgeschrittenen Können von der Masse deutscher Bands ab. Die Texte drehen sich fast ausschließlich um Gewalt, Alkohol und Sex. Gerade das Titelstück in seiner ganzen Scheußlichkeit, findet bei den Skinheads in Deutschland großen Anklang. Das Stück "Der nette Mann" handelt von einem Kindermörder, der getarnt als netter Nachbar praktisch nicht auffindbar ist, da er sich hinter der Maske des "netten Mannes" versteckt. Der Song, der in der ersten Person Singular gesungen und mit Kevins rauhem Organ vorgetragen wird, gilt in Deutschland als massiver Tabubruch. Zum ersten Mal setzt sich eine Band auf ihre eigene Art und Weise mit dem Thema Kindesmissbrauch auseinander. Der Täter wird hier als "perverses Schwein" dargestellt und die "Ich-Form", in der das Lied vorgetragen wird, sorgt für große Empörung bei den Jugendschutzvereinen, Kommunen und Gemeinden. Man unterstellt der Band, sie selbst würden zum Kindermord aufrufen. Ebenso skandalös empfindet man das Lied "Mädchen" in dem es um nichts anderes als "ficken", "ficken" und nochmals "ficken" und um "blasen", "blasen" und nochmals "blasen" geht. Der Song "Frankreich '84", der die anstehende Fußball Europameisterschaft in Frankreich thematisiert und in dem das Wort "Frankreichüberfall" fällt, wird später als Hauptgrund für die angeblich faschistoide Gesinnung der Musiker herhalten müssen. Des Weiteren befindet sich auf dem Debütalbum "Der nette Mann" das Lied "Deutschland", ein Song, in dem zum ersten Mal nach dem zweiten Weltkrieg eine deutsche Band die Textzeile "wir sind stolz darauf, Deutsche zu sein" verwendet. Merkwürdigerweise wird dieser Song, in den man unverblümt einen übertriebenen und gefährlichen Patriotismus, hineininterpretieren könnte, bei der späteren Beanstandung des Albums durch die Bundesprüfstelle, nicht nur nicht besprochen, sondern, er wird nicht einmal erwähnt.

 

"Der nette Mann" wird Kult
Das Debüt Album "Der nette Mann" schlägt in der kleinen Skinheadszene, die in den Verfassungsschutzberichten des Jahres '84 mit ca. 2000 Personen beziffert wird, ein, wie eine Bombe. Die Böhsen Onkelz sind seit ihrem "Demo" von '83, seit ihrem Gig im Bunker '83 und seit ihrem ersten Album "Der nette Mann" die Band der Stunde. Die Gerüchte über die Frankfurter Band innerhalb der Skinheadszene nehmen groteske Formen an und so schnell, wie die Onkelz sich in der Szene etabliert haben, so schnell wird es ihnen auch schon wieder zu eng.

 

Zagabarta
Im Sommer 1984 werden die Böhsen Onkelz von der Berliner Regisseurin Tabea Blumenschein zu einem Filmdreh eingeladen. Zusammen mit der Berliner Punkband "Tödliche Doris" liefern sie den Soundtrack. Der Film "Zagarbarta", der 1985 vom ZDF in der Reihe "Das kleine Fernsehspiel" ausgestrahlt wird, und der die Böhsen Onkelz in seiner Anfangssequenz für 4 Minuten während eines gestellten Gigs im Berliner "Loft" zeigt, gilt mit Recht als der schlechteste Film, der jemals über Punks und Skinheads gedreht wurde. Später wird der Film oft von den Medien im Fernsehen fälschlicherweise als "Böhse Onkelz Film" zitiert und muss oft herhalten als einziges Archivmaterial, das die Böhsen Onkelz als Skinheadband auf einer Bühne zeigt.

 

Skinheadszene auch zu eng?
Während Kevin sich in der Skinheadszene aufgehoben und geborgen fühlt und der Meinung ist, daß er es mit einer wirklichen großen Familie zu tun hat, erkennen die drei anderen Musiker, Stephan allen voran, dass auch diese Szene ihre eigenen Schubladen hat und im krassen Gegensatz zu seinem Freiheitsgefühl steht. Die Vorschriften und Dresscodes, die Breite der Hosenträger, das Markenbewusstsein der "Glatzen", vom Fred Perry Hemd zu den Doc Marten's Schuhen, von der Sta Prest Jeans zu den Bomber Jacken, das alles fängt sehr schnell an zu nerven. Zum Jahreswechsel 84/85 legen Pe, Gonzo und Stephan die Hosenträger wieder ab und lassen die Haare wachsen.