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1980
- 2005 |
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1981 "Türken raus"
Entgegen vieler Behauptungen, die Böhsen Onkelz hätten ihren
Skandalsong "Türken raus", der ihnen bis heute angelastet wird,
als Skinheadband geschrieben, muss hier darauf hingewiesen
werden, dass "Türken raus" einer der ersten Songs im Repertoire
gewesen ist und auf die Zusammenstöße zwischen den Jugendlichen
verschiedener Kulturen in den Frankfurter Vororten
zurückzuführen ist. Dass die Böhsen Onkelz in den nächsten 5
Jahren eine ausländerfeindliche Haltung annehmen, ist dagegen
unbestritten und soll hier nicht unerwähnt bleiben.
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Punkbesetzung, Frankfurt '81
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Foto: Kid |
Die ersten Auftritte
1980 steigen die
Böhsen Onkelz während vieler Wochenendfahrten nach Frankfurt in die
dortige Punkszene ein und machen sich schnell einen Namen als asoziale,
authentische Punkband. Zusätzlich muss erwähnt werden, daß gerade in
Frankfurt, aufgrund der "Startbahn-West-Krawalle" und der blühenden
Punkbewegung eine allgemein aggressive Stimmung herrscht. Die "Hippies"
und die "Alt 68er" gelten den Punks als Feindbild Nr.1. Diese
Frankfurter Punkbewegung konzentriert ihre Aktivitäten auf mehrere Orte,
die Hauptwache und den Goetheplatz in der Innenstadt, den Flohmarkt am
Eisernen Steg, die "Batschkapp" (ein alternativer Veranstaltungsort, wo
viele Punkkonzerte stattfinden) und das Jugendzentrum Bockenheim.
20.02.'81 erster
dokumentierter Auftritt im Juz Bockenheim mit Incapables, Mutation und
Kreppelkaffee.
08.05.'81 zweiter
dokumentierter Auftritt im Juz Bockenheim mit Boopy Traps, Middle Class
Fantasies und Antikörper.
Von diesen beiden ersten
Gigs gibt es leider kein Foto- oder Audiomaterial. Erwähnung finden die
Böhsen Onkelz während dieses frühen Stadiums lediglich in lokalen
Fanzines und Undergroundpublikationen.
Matthias "Gonzo" Röhr
Der Gitarrist der
Frankfurter Punkband "Antikörper" heißt Matthias "Gonzo" Röhr, zu diesem
Zeitpunkt 18 Jahre alt. Gonzo spielt seit 6 Jahren Gitarre und wird von
den Böhsen Onkelz abgeworben. Bereits einen Monat später tritt er den
Böhsen Onkelz bei und komplettiert das Line Up der Band. Matthias Röhr
ist der älteste von vier Brüdern und die Familie Röhr wechselt häufig
den Wohnort im Raum Frankfurt. Die Mutter ist Hausfrau, der Vater, der
zunächst ein Lebensmittelgeschäft betreibt, übernimmt 1965 einen Kiosk
in Frankfurt Bockenheim und 1974 eine Wirtschaft, wo später auch die
Mutter ganztags arbeitet. Der Familienhintergrund der Röhrs ist
bieder-katholisch-streng. Matthias Röhr beginnt bereits mit zwölf Jahren
Gitarre zu spielen und orientiert sich in seiner Jugend an Blues- und
Soulgitarristen, bis ihn der Punkrock erwischt und auch er ab 1980 in
die Frankfurter Punkszene einsteigt. Sein Spitzname "Gonzo" geht auf
seine glühende Verehrung für den amerikanischen Gitarristen Ted Nugent
und dessen Live Album "Double life Gonzo" Ende der siebziger Jahre
zurück. Bis er in die Frankfurter Punkszene einsteigt hat er zuvor in
mindestens 5 anderen Bands gespielt. Zunächst spielt "Gonzo" bei den
Böhsen Onkelz Bass, Stephan Weidner die Gitarre, Kevin Russell übernimmt
den Gesang und Peter Schorowsky das Schlagzeug.
Noch mehr Punk
Während der
ersten zwei Jahre spielen die Böhsen Onkelz 4 Gigs im Juz Bockenheim.
Ihr Repertoire beinhaltet neben "Türken raus" noch einige typische
Punksongs, "Bullenschwein", "Hinein in das schäumende Bier", "Schöner
Tag", "Deutsche Welle", "Bruno Baumann" und andere. Gonzo bringt als
erster eine gewisse, rudimentäre Professionalität in die Band, in dem er
die Songs durch sein Können erheblich aufwertet. Aus dem anfänglichen
Gegröhle werden nun richtige Punksongs, die vom meist jungen Publikum
auch so verstanden und aufgenommen werden.
Der Punk, als solcher findet zwar in den einschlägigen
Musikzeitschriften seine Erwähnung, aber der Focus der Berichterstattung
liegt ausschließlich auf den "großen" und "bekannten" Bands, die zumeist
aus England kommen. Gleichzeitig wird in Deutschland die "neue deutsche
Welle" etabliert. Weniger aggressives Songmaterial mit deutschen Texten,
das in seiner Beliebigkeit und seiner "Softheit" dem Punk das Wasser
abgräbt. Während NDW-Bands wie Fehlfarben, DAF oder Ideal das
Rampenlicht auf sich ziehen, haben es die authentischen Punkbands wie
Slime, Abwärts, die Böhsen Onkelz oder ZK schwer. Ihre Popularität ist
begrenzt und beschränkt sich auf ihren Herkunftsort. Die Fans
rekrutieren sich ausschließlich aus der lokalen Punkszene. Nur mühsam
erspielen sich diese Bands einen größeren Hörerkreis, der sich auf das
gesamte Westdeutschland erstreckt. Hilfreich hierbei sind lokale "Fanzines",
kleine, zusammengebastelte Heftchen, die die "Szene" mit all ihren
Konzerten, Skandalen und Ausschreitungen beschreiben. Jede größere
westdeutsche Stadt mit einer Punkbewegung, hat auch mindestens ein
Fanzine. In Frankfurt gibt es zu Beginn der achtziger Jahre 3-4
verschiedene Fanzines, von denen "Primitiefes Leben" von Patrik Orth das
bedeutendste ist. Die Böhsen Onkelz sind gegen 81/82 ein wesentlicher
Bestandteil der Frankfurter Punkbewegung, ihre sporadischen Konzerte und
Auftritte jedoch, finden ausschließlich in "Primitiefes Leben"
Erwähnung.
"Fanzines" die frühen Medien
aus "Primitiefes Leben" Nr. 2, Fanzine von
Patrick Orth, Frankfurt, Juli '81
"Es kam dann noch zu 'nem
Zwischenfall. An diesem Abend war auch Kaiser wieder anwesend. Er
spazierte vor die Bühne, als grade BÖSE ONKELS spielten und der
Gitarrist von B.O. schnappte sich das Mikro und sang hinein "Nazis ins
KZ, das wär' so furchtbar nett" oder so ähnlich."
(Zur Erklärung muss hier angeführt werden, dass "Kaiser" ein
stadtbekannter Faschoskin war, der sich gerne auf Punkkonzerten in
Frankfurt sehen ließ und von allen Punks gehasst wurde.)
Punk in Frankfurt
Während bereits die "Rock'n'Roll"- Bewegung der
fünfziger und die "Flower Power"- Bewegung der sechziger von der Presse
per se als gefährlich, drogenverseucht, aufwieglerisch, anachistisch und
verurteilenswert dämonisiert wurde, ist es mit der Punkbewegung Ende der
siebziger und anfang der achtziger Jahre nicht anders. Die Punkbewegung,
von England kommend, wird in der Presse, als das "Schlimmste"
bezeichnet, was der Jugend in Deutschland überhaupt passieren kann. Die
politische Linke wittert eine Chance und beginnt massiv die Punkszene zu
infiltieren. Althippies und Anarcho-Veteranen der siebziger Jahre
beginnen in der deutschen Punkszene aktiv zu werden, nicht ohne Erfolg.
Die Gesellschaft und die Musikindustrie vermarktet die Neue Deutsche
Welle als die handzahme und weichgespülte Version des Punk in immer
groteskeren Varianten. Während die Musikindustrie im Wochentakt ein
neues One-Hit-Wonder unter dem Ettikett "Punk" auf die ahnungslose
Hörerschaft loslässt, wenden sich bundesweit die hartgesottenen und
kampferprobten Punks angewidert ab.
Onkelz in der
Batschkapp
Die Böhsen Onkelz
bestreiten im Sommer/Herbst zwei Konzerte in der ausverkauften
Batschkapp und werden vom Frankfurter Fanzine "Primitefes Leben" als die
Punkband der Stunde gefeiert. Ebenfalls 1981 veröffentlicht die Band ein
erstes "semi-offizielles" Demotape in schlechter Qualität, auf dem unter
anderem auch der Skandalsong "Türken Raus" zu hören ist. Zu dieser Zeit
gilt der Song noch als Lachnummer. Daß es zu dieser Zeit mit der
Ausländerfeindlichkeit noch nicht weit her ist, wird auch dadurch
deutlich, daß die Band am 14.11.1981 im "türkischen Familienzentrum" am
Wiesenhüttenplatz in Frankfurt einen Gig spielt. Das Demotape macht
jedoch in einer geringen Stückzahl die Runde und sorgt dafür, daß die
Böhsen Onkelz auch über die Grenzen Frankfurts hinaus, bekannt werden.
Schlägereien mit ausländischen Jugendlichen, mit "Poppern", "Mods" oder
"Wavern", kurz mit allem, was nicht Punk ist, finden täglich statt.
Während die "neue deutsche Welle" ihren Siegeszug antritt und sich über
mangelndes Radioairplay nicht beklagen kann, zerfällt die Punkbwegung
zum Jahreswechsel 81/82. Viele Punks lassen sich von der linken
Argumentation vereinnahmen und beginnen sich politisch zu organisieren,
andere stehen fassungslos daneben. Wieder andere steigen ganz aus und
werden "normal".
Punk wird lahm
Die Böhsen Onkelz,
in ihrer ganzen asozialen Anrüchigkeit und Authentizität schauen mit
einem Auge auf den Haufen Scherben, den die zersplitterte Punkbewegung
hinterlassen hat, mit dem anderen Auge nach England, wo sich ein neuer
Trend abzeichnet. Wie immer gelangt auch diesmal eine neue Bewegung
zeitversetzt nach Deutschland. Das Zauberwort heißt "Oi"!
Zum Jahreswechsel 81/82 fahren die Böhsen Onkelz nach Berlin, um beim
linken Label "Aggressive Rockproduktionen" von Karl Walterbach (heute "Noise"-Label)
zwei Stücke für den "Soundtrack zum Untergang" Vol. II einzuspielen.
Während dieser Aufnahmen, die mehr als chaotisch verlaufen, wechseln
Gonzo und Stephan die Instrumente. Die endgültige Formation der Böhsen
Onkelz steht und wird bis heute beibehalten. Ebenfalls sind auf dem
"Soundtrack zum Untergang" Vol.II deutsche Underground Punkbands wie "Normahl",
"Blitzkrieg", "Neurotic Arseholes", "Notdurft" und andere vertreten.
Seit den späten neunziger Jahren, ist diese Compilation als CD wieder im
Handel erhältlich. Obwohl man die Böhsen Onkelz auf dem Booklet nicht
erwähnt, sind die beiden Songs "Hippies" und "Religion" immer noch auf
dieser Veröffentlichung zu hören. Eine Lizenzabrechnung von Karl
Walterbach hat es bis heute nicht gegeben. |